„Jugendarbeit war mein absolutes Steckenpferd“
Wie das alles funktioniert hat, ist Georg Eberhardt im Nachhinein doch ein kleines Rätsel. Mit „das alles“ meint der vierfache Familienvater sein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr Thannhausen. Vor Kurzem hat er mit dem Erreichen der Altersgrenze seine aktive Laufbahn beendet - nach einem halben Jahrhundert ehrenamtlichen Feuerwehrdienstes. Durchaus mit einem weinenden Auge, wie er zugibt: „Wenn man aufhören muss, ist es schon etwas anderes, als wenn man sich selbst dafür entscheidet.“ Der Vorteil sei, meint er augenzwinkernd, dass er jetzt abends mit der Gewissheit ins Bett gehen könne, nicht mitten in der Nacht unsanft von seinem Piepser geweckt zu werden. Viele Jahrzehnte war er rund um die Uhr einsatzbereit, bereit Ehefrau und Kinder am gedeckten Mittagstisch sitzen zu lassen, bereit schlimme und schwierige Einsätze abzuarbeiten, aber auch ganz viel Schönes zu erleben: Georg Eberhardt will diese Zeit trotz aller Anstrengungen auf keinen Fall missen.
Bereits als Kind verfolgte er gespannt die Einsätze und Übungen der Feuerwehrler. Das Gerätehaus befand sich am heutigen Mortainplatz, gegenüber von Eberhardts Elternhaus. Dass sein Urgroßvater und sein Vater ebenfalls aktive Feuerwehrmänner waren, tat vermutlich sein Übriges dazu, dass er zu den fünf feuerwehrbegeisterten Jugendlichen zählte, die Anfang der 1970er Jahre die erste Jugendfeuerwehr in Thannhausen aus der Taufe hoben. Bemerkenswert daran: Mit Josef Pfitzmayer, Fritz Schön und ihm selbst waren drei der fünf Gründungsmitglieder bis zum Erreichen der Altersgrenze bei der Thannhauser Feuerwehr aktiv.
Damals im Jahr 1973 wurden sie unter Anleitung des ersten Thannhauser Jugendwarts Heinrich Miller zu Feuerwehrmännern ausgebildet. Mit nur 19 Jahren übernahm er dann selbst das Amt des Jugendwarts. „Das war mein absolutes Steckenpferd“, sagt Eberhardt rückblickend. 25 Jahre lang war er als Ausbilder für die Jugendlichen zuständig. Von Anfang an war ihm wichtig, nicht nur Feuerwehrwissen zu vermitteln. „Wir wollten richtige Jugendarbeit machen und dafür sorgen, dass die Jugendlichen eine Perspektive hatten und nicht auf der Straße rumhängen mussten“, sagt Eberhardt. Dabei lief nicht immer alles glatt. „Nach ein paar Jahren gab es mal eine Durststrecke. Wir hatten nur zwei Jugendliche in der Gruppe. Woran das lag, konnten wir uns auch nicht erklären, aber in der Zeitung wurde ich persönlich dafür verantwortlich gemacht.“ Georg Eberhardt überlegte kurz, alles hinzuwerfen – aber nur kurz. Stattdessen nahm er die ungerechtfertigte Kritik als Ansporn, die Jugendarbeit wieder nach vorne zu bringen. Durch eine große Werbeaktion der Stadt gelang es, auf einen Schlag zwölf Jugendliche zu gewinnen. Von da an ging es steil bergauf. Über Jahre hinweg war die Thannhauser Jugendfeuerwehr das Aushängeschild des Landkreises – mit bis zu 25 Jugendlichen. „Wir hatten einen echten Flow und ich glaube, wenn man mal oben schwimmt, dann ist es auch leichter, erfolgreich zu sein“, sagt Eberhardt und fügt hinzu: „Ich habe mir mit meinen Stellvertretern Johann Müller, Reiner Miller und Stephan Kohler aber auch immer wieder etwas Neues ausgedacht, um die Jugendlichen zu fordern.“ Darunter waren spektakuläre Aktionen wie eine dreitägige Höhenwanderung im Allgäu, Nachtrodeln, Höhlenwandern oder die Teilnahme am internationalen Jugendzeltlager am Bodensee. Regelmäßig besuchte die Jugendgruppe auch die Justizvollzugsanstalt in Kaisheim. „Das hat die Jungs und Mädels schon beeindruckt. Und wir hatten natürlich einen Hintergedanken. Nämlich zu zeigen, dass es nicht empfehlenswert ist, auf die schiefe Bahn zu geraten.“
Bei fast allen Ausflügen dabei und ein wesentlicher Teil des Erfolgsgeheimnisses war der spätere Feuerwehr-Vereinsvorsitzende Helmut Dressler. Als Inhaber einer Fahrschule saß er bei zahlreichen Ausflügen am Steuer seines eigenen Omnibusses und brachte die Jugendgruppe an jedes gewünschte Ziel. „Helmut war immer Feuer und Flamme für unsere Ideen und hat nie nein gesagt. Etwas Besseres hätte uns nicht passieren können. Das war schon megamäßig“, erinnert sich Georg Eberhardt.
Durch seinen Erfolg in der Jugendarbeit wurde er mehrmals für das Amt des Kreisjugendfeuerwehrwarts angefragt. „Das habe ich immer abgelehnt, weil es viel Verwaltungsarbeit bedeutet hätte. Ich wollte lieber mit den Jugendlichen was erleben“, sagt Eberhardt. Zum Beispiel das jährlich stattfindende große Zeltlager aller Jugendfeuerwehren des Landkreises. Einmal fand es auch am Thannhauser Hühnerhof statt. Mitten in der Nacht kam es auf der nahen Bundesstraße 300 zu einem schweren Verkehrsunfall. Mehrere Jugendliche, die von Krumbach eine Spritztour nach Augsburg unternehmen wollten, verunglückten schwer. Wie sich später herausstellte, hatte der Fahrer keinen Führerschein. Georg Eberhardt war gemeinsam mit einigen Zeltlagerteilnehmern als erster am Unfallort. Sie leisteten Erste Hilfe und konnten die Jugendlichen, die teilweise unter dem Auto eingeklemmt waren, noch vor dem Eintreffen der alarmierten Feuerwehr befreien.
Nicht immer gingen die Einsätze so glimpflich aus. In seiner 50-jährigen Dienstzeit war Georg Eberhardt bei unzähligen Einsätzen dabei. Anfangs sozusagen an vorderster Front, später als Gruppenführer in der Verantwortung für seine Feuerwehrkameradinnen und -kameraden. Schwere Unfälle hat er erlebt, Großbrände, das ganze Spektrum der Feuerwehrarbeit. In trauriger Erinnerung sind Georg Eberhardt vor allem die beiden tödlichen Verkehrsunfälle, bei denen zwei ehemalige Mitglieder der Jugendfeuerwehr ums Leben kamen. Eberhardt und seinen Feuerwehrkollegen oblag damals die schwierige Aufgabe, die Toten aus ihren Fahrzeugen zu befreien. „Diese Bilder gehen einem nicht mehr aus dem Kopf. Vor allem auch, weil man die Betroffenen so gut gekannt hat“, sagt Eberhardt heute.
Glücklicherweise wurde die Feuerwehr Thannhausen in den letzten Jahrzehnten vor schweren Unfällen in den eigenen Reihen verschont. Heikel war es oft genug. Etwa, als beim Brand des ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesens Strehle in Balzhausen während der Löscharbeiten plötzlich eine massive Giebelwand völlig unvermittelt auf die Straße stürzte. Glücklicherweise wurde niemand von den Mauerteilen getroffen. „Wir sind immer alle ohne große Blessuren wieder nach Hause gekommen. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Eberhardt rückblickend.
Dankbar ist er auch für den Rückhalt seiner Familie. Immerhin hat er neben seiner Frau Moni, die rund 20 Jahre aktive Feuerwehrfrau und in Thannhausen Gründungsmitglied der ersten Frauenfeuerwehrgruppe im Landkreis Günzburg war, auch drei seiner vier Kinder mit dem Feuerwehrvirus infiziert. Ziemlich schnell hat ihm seine Frau auch verziehen, dass er nur eine halbe Stunde nach der Geburt seines Sohnes das Krankenhaus zügig verlassen musste. Eine Leistungsprüfung mit seinen Jugendlichen, die hart dafür trainiert hatten, stand an. Da musste er dabei sein.
Sein persönliches Highlight waren die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der Thannhauser Jugendfeuerwehr im Jahr 1997. Am Freizeitgelände fand das „Spiel ohne Grenzen“ statt. Zahlreiche Jugendliche und Erwachsene, nicht nur aus Feuerwehrkreisen, kamen nach Thannhausen, um ihren Mut und ihre Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen. Ob eine Floßfahrt unterhalb des Wasserfalls an der Wehranlage der Mindel, Bierkistenstapeln, eine Flussüberquerung auf dem Stahlseil oder ein freier Fall vom eigens errichteten Sprungturm: Es wurden keine Mühen gescheut, um ein spektakuläres Event auf die Beine zu stellen. Über Wochen war die Jugendfeuerwehr im Vorfeld mit der Planung und dem Aufbau beschäftigt.
Rückblickend ist sich Georg Eberhardt sicher: „Das alles hat sich definitiv gelohnt.“ Von verschiedenen Seiten wurde er für seine Verdienste geehrt: Die Stadt Thannhausen verlieh ihm die Christoph-von-Schmid-Medaille, er erhielt den Jugendwimpel des Landkreises, die Ehrennadel der deutschen Jugendfeuerwehr, das große Ehrenzeichen des Freistaats Bayern und die goldene Ehrennadel der Feuerwehr Thannhausen. Die beste Bestätigung für ihn ist allerdings, wenn er ehemalige Mitglieder der Jugendfeuerwehr trifft. „Wenn die mir sagen, hey, was war das für eine geile Zeit. Und da denke ich mir, ja du hast recht, das stimmt. Es hat auch mir einen Riesenspaß gemacht.“